5.5 Missionarische und universale Kirche

Westkirche – Weltkirche

Beim Wort Mission denken heute viele Menschen an “Mission impossible” oder “Mission erfüllt”. In seiner religiösen und kirchlichen Bedeutung tun sich viele schwer damit, weil im Laufe der Missionsgeschichte vieles falsch gelaufen ist, weil Kulturen und Religionen zerstört und Menschen zum Glaubenswechsel gezwungen wurden.

Bei dieser pauschalen Kritik wird übersehen, dass die Kritik an der Gewaltanwendung und Ausbeutung fremder Völker im Zuge der europäischen Expansion gerade auch aus kirchlichen Kreisen selbst kam und dass politische und wirtschaftliche Mächte ebenso Verantwortung für den Imperialismus trugen.

Auch darf nicht übersehen werden, dass trotz unleugbarer Schattenseiten vitale Ortskirchen entstanden, weil Menschen trotz schlechter Begleitumstände den Wert der Botschaft von der Erlösung durch Jesus Christus erkannten.

Schließlich hat sich das katholische Missionsverständnis im 20. Jahrhundert wesentlich verändert, was sich im 2. Vatikanischen Konzil und in den darauffolgenden lehramtlichen Dokumenten niedergeschlagen hat. Die Kirche sieht sich in ihrem Wesen missionarisch (als Gesandte), weil sie selber aus der Sendung Christi und des heiligen Geistes entstanden ist. Mission ist Teilhabe an der Sendung Gottes und Dienst am Reich der Liebe, Gerechtigkeit und des Friedens.

Mission heute

  • anerkennt die Religionsfreiheit
  • schätzt die anderen Religionen und Kulturen und den Dialog mit ihnen
  • betrachtet den Menschen ganzheitlich mit all seinen Bedürfnissen und Dimensionen des Menschseins

Eurozentrismus

Seit der Entdeckung Amerikas stand Europa im Zentrum der restlichen Welt. Europäische Kultur und Lebensweise wurden überallhin “exportiert”, die Völker der eroberten Gebiete wirtschaftlich und politisch unterjocht. Die Welt wurde durch die europäische Brille gesehen. Ein Ausdruck dieser Haltung waren die Weltkarten dieser Zeit: Europa ist in der Mitte (oben), Amerika links und Asien rechts.

Der Eurozentrismus hat sich jahrhunderte lang auch auf die Mission ausgewirkt. Der christliche Glaube (Glaubensinhalte) wurde mit seinen europäischen Ausdrucksformen (Sprache, Riten, Gesten, Philosophie, Bräuche) mehr oder weniger in die Missionsgebiete “exportiert”. Einheimische Kulturen wurden wenig geachtet und sollten der europäischen weichen. So wurde nicht nur viel zerstört, sondern das Christentum blieb teilweise ein Fremdkörper.

Inkulturation

Dieses Verständnis von Mission wurde erstmals im 16. Jahrhundert bei der Asienmission in Frage gestellt, als sich die asiatischen Hochkulturen als resistent gegen das fremdartige Christentum erwiesen und die Mission wenig Erfolg hatte. Jesuitenmissionare versuchten daher eine “Akkomodation” bzw. “Inkulturation” des Christentums, also eine Verpflanzung des christlichen Glaubens in die jeweilige Kultur und konkrete Lebensrealität der Menschen. Sie bedienten sich einheimischer Sprache, Riten, Bräuche usw.

Entkolonialisierung

Das eurozentristische Denken wurde durch die Entkolonialisierung unterbrochen. Die unterworfenen Völker besannen sich ihrer eigenen Tradition und Kultur und kämpften für ihre politische Unabhängigkeit.

Diese Entwicklung wirkte sich auch auf die kirchlichen Verhältnisse aus. Die jeweiligen Ortskirchen rückten in den Mittelpunkt. Es entstanden einheimische liturgische Formen und eigenständige theologische Denkweisen, die teilweise Erlösung radikal auch als Erlösung von Ungerechtigkeit und wirtschaftlicher Unterdrückung verstehen.

Der Schwerpunkt des kirchlichen Lebens hat sich von Europa in die Länder der Dritten Welt verschoben. Die Kirche hat die Chance, Weltkirche zu werden.

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